Informationen und Hinweise für Promotionsinteressierte und Promovierende
Interessieren Sie sich für eine Promotion oder sind Sie bereits Doktorand*in und haben körperliche und/oder psychische Beeinträchtigungen, die Sie im Hochschul- und Promotionsalltag als belastend erleben? Dann richten sich die folgenden Informationen an Sie.
Viele Hochschulabsolvent*innen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen haben bereits im Studium Barrieren erlebt und sind sich daher unsicher, ob ihnen der Weg zu einer Promotion und/oder zu einer wissenschaftlichen Karriere offensteht. Hinzu kommt, dass Fragen zur Finanzierung sowie zu Nachteilsausgleichen und Unterstützungsleistungen während der Promotion oft unübersichtlich und verwirrend sind. Deshalb beantworten wir hier die häufigsten und wichtigsten Fragen. Außerdem verweisen wir auf weitere rechtliche und finanzielle Ressourcen und Vernetzungsmöglichkeiten.
Alle unten stehenden Informationen und Hinweise stehen Ihnen auch als barrierearmes PDF-Dokument für den Download zur Verfügung: Handlungshilfen für Promotionsinteressierte und Promovierende.
Here you can find an English translation for international students: A Guide on Pursuing a PhD in Germany for Doctoral Students with Health Impairments.
Lesehinweis
Wir verwenden die Bezeichnung „gesundheitliche Beeinträchtigung(en)“, um die Vielfalt von angeborenen und erworbenen Behinderungen sowie chronischen körperlichen und psychischen Erkrankungen bestmöglich abzubilden. Darüber hinaus nutzen wir die Genderschreibweise mit Asterisk, die von der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit und Informationstechnik auf Basis der Studie „Empfehlung zu gendergerechter, digital barrierefreier Sprache“ empfohlen wird.
Was erwartet mich bei einer Promotion in Deutschland?
Wenn wissenschaftliches Arbeiten Sie anspricht und Sie Ihr Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen haben, können Sie über eine Promotion nachdenken. Die Promotion ist der höchste Bildungsabschluss in Deutschland und berechtigt zum Führen eines Doktortitels. Sie umfasst mehrere Schritte. Zunächst ist eine schriftliche Arbeit (Dissertation) zu verfassen. Je nach Fachkultur wird diese als Buch (Monographie) oder in Form von mehreren Publikationen in Fachzeitschriften (kumulativ) veröffentlicht. Der Arbeit folgt anschließend eine mündliche Prüfung, in der Regel vor den Betreuenden und Publikum. Die Form der Verteidigung ist in der Promotionsordnung geregelt. Möglich sind Disputation (ein wissenschaftliches Streitgespräch), Rigorosum (eine Prüfung des Fachwissens aus dem Studium oder zuvor festgelegten Schwerpunkten) oder Promotionskolloquium (eine Mischform, die den wissenschaftlichen Austausch in den Fokus stellt). Der letzte Schritt ist die Publikation der Dissertation.
Die Gründe für eine Promotion sind vielfältig und unterscheiden sich von Fach zu Fach. Zunächst ist eine Promotion die Grundvoraussetzung für eine Karriere in der Wissenschaft. In einigen Bereichen kann eine Promotion jedoch auch die Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten außerhalb der Wissenschaft verbessern. In jedem Fall ist sie eine langfristige Entscheidung und gestaltet die nächsten Jahre maßgeblich. Sie kann – ebenfalls fachabhängig – unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen, aber der Durchschnitt der Doktorand*innen in Deutschland schließt die Promotion nach 5,7 Jahren ab.
Voraussetzungen einer Promotion
Voraussetzung für eine Promotion ist ein einschlägiger Hochschulabschluss. Je nach Fakultät und Hochschule können aber auch weitere Voraussetzungen gelten (beispielsweise Abschlussnoten oder sprachliche und fachliche Voraussetzungen). Sie gehen aus der jeweiligen Promotionsordnung der Fakultät oder des Fachbereichs hervor. In der Regel sind Promovierende als Promotionsstudierende an der Hochschule ihrer Erstbetreuung oder ihres Graduiertenkollegs eingeschrieben. Das bedeutet, dass Promotionsstudierende einige Privilegien von Studierenden genießen, wie zum Beispiel ein Semesterticket. Manche Promotionsordnungen schreiben auch den Besuch einer bestimmten Anzahl von Veranstaltungen als „Promotionsstudium“ vor. An den meisten Hochschulen gibt es Graduierteneinrichtungen, die Seminare, Workshops und Beratungsangebote für Promovierende anbieten.
Promotionsmodelle in Deutschland
Es gibt in Deutschland zwei unterschiedliche Promotionsmodelle – die strukturierte Promotion an einem Graduiertenkolleg/Graduiertenschule und die Individualpromotion. In der Regel hat eine strukturierte Promotion eine vorgegebene Laufzeit, meist drei Jahre, und es gibt ein festes Curriculum mit Pflichtseminaren, das neben der eigenen Forschung absolviert wird. Wer individuell promoviert, sucht sich eine Betreuung, stimmt das Thema ab und forscht nach eigenem Zeitplan. Eine Individualpromotion kann man an einer Universität, in einer Forschungseinrichtung oder einem Unternehmen schreiben.
Arbeitsalltag während der Promotion
Promotionsbezogene Tätigkeiten sind unter anderem Recherche und Forschung, das Erlernen von methodischen Fähigkeiten, wissenschaftlicher Austausch mit Kolleg*innen, Besuch von Konferenzen, Veröffentlichen von wissenschaftlichen Artikeln und gegebenenfalls die Vermittlung der eigenen Forschung an ein nicht-wissenschaftliches Publikum. Neben der eigentlichen Arbeit an der Promotion können darüber hinaus auch weitere Arbeitsaufgaben anfallen, wie Lehre, Betreuung von studentischen Abschlussarbeiten und Prüfungsabnahmen, Organisation und Besuch von Veranstaltungen, beziehungsweise Doktorandenkolloquien, oder die Mitarbeit in verschiedenen Gremien der Hochschule (akademische Selbstverwaltung). Das hängt maßgeblich davon ab, wie die Promotion finanziert und nach welchem Promotionsmodell promoviert wird.
Finanzierung
In Deutschland wird die Promotion meistens durch ein Stipendium oder eine Beschäftigung an der Hochschule/am Forschungsinstitut finanziert. In der Regel handelt es sich dabei um befristete Teilzeitstellen (häufig zwischen 50 bis 70 Prozent einer Vollzeitstelle). Die Arbeitsverträge für solche Stellen enthalten oft das Qualifizierungsziel Promotion. Diese sogenannten Qualifizierungsstellen sind nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) häufig zunächst auf drei Jahre befristet, können jedoch insgesamt auf sechs Jahre verlängert werden. Danach kann man erst wieder mit Qualifizierungsziel an der Hochschule angestellt werden, wenn die Promotion abgeschlossen wurde. Eine Anstellung über Teilzeit- und Befristungsgesetz, zum Beispiel im Rahmen von Projekten die durch Fördergelder finanziert werden, ist weiterhin möglich, allerdings ohne das Ziel der wissenschaftlichen Qualifizierung. Promovierende mit Beeinträchtigungen haben unter Umständen die Möglichkeit, die Frist von sechs Jahren um zwei weitere Jahre zu verlängern. Weiterführende Informationen dazu finden Sie im Abschnitt „Welche Vorteile hat eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung?“. Die Beschäftigung an der Hochschule umfasst – neben der Promotionstätigkeit – weitere Arbeitsaufgaben wie die oben genannten. Häufig sind diese so umfangreich, dass Promovierende auch außerhalb ihrer vertraglich geregelten Arbeitszeit an der Promotion arbeiten. Oft wird das auch implizit erwartet. Dadurch, sowie aufgrund der Befristung, sind zeitlicher Druck und Arbeitsbelastung hoch. Nichtsdestotrotz sind Qualifikationsstellen sehr beliebt, da sie eine Anbindung an den wissenschaftlichen Diskurs und die Infrastruktur der Hochschule versprechen und eine Finanzierung der Promotionstätigkeit bieten.
Durchhalten
Eine Promotion hat Vor- und Nachteile. Promovierende lernen viel neues über ihr Forschungsfeld und den Wissenschaftsbetrieb, sie vertiefen sich in ein wissenschaftliches Thema, das im besten Fall begeistert und kommen in Austausch mit internationalen Forscher*innen. Eine Promotion braucht jedoch auch viel Durchhaltevermögen, Organisationskompetenz und strukturiertes Arbeiten, um die Konzentration/Fokussierung auf ein Thema über mehrere Jahre aufrechtzuerhalten und auch, um mit der Autonomie und manchmal Einsamkeit des wissenschaftlichen Arbeitens umzugehen. Darüber hinaus ist es für eine weitere Karriere in der Wissenschaft unabdingbar, mit den eigenen Themen sichtbar zu werden. Das kann zum Beispiel durch Vorträge auf Konferenzen, das Vernetzen mit anderen Wissenschaftler*innen oder durch das Vorantreiben eigener Projekte geschehen. Darum sollten Sie gut überlegen, ob eine Promotion in Ihrer Situation der richtige Weg ist und ob Sie die Motivation haben, der Promotion in den nächsten Jahren einen Großteil Ihrer Zeit zu widmen
Weitere Informationen und Entscheidungshilfen zum Thema Promovieren in Deutschland gibt es hier:
Promovieren mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen – Was sind positive Erfahrungen und Herausforderungen?
Bislang sind nur wenig promovierte Wissenschaftler*innen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen sichtbar die Vorbilder für Promotionsinteressierte und Promovierende sein können. Damit Sie dennoch von den Erfahrungen anderer Promovierender und Promovierter profitieren können, haben wir Informationen zusammengetragen und Teilnehmende des PROMI-Projekts zu ihren Promotionserfahrungen befragt.
Natürlich sind Erfahrungen, Bedingungen des Gelingens und Herausforderungen aufgrund der Vielfalt von Promotionsmodellen, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der persönlichen Situationen sowie der Vielfalt der Forschungsfelder für jede*n Promovierende*n individuell. Jedoch gibt es einige positive Erfahrungen sowie Barrieren, denen viele Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen begegnen.
Gute Vereinbarkeit
Neben vielen Vorteilen des Promovierens – die Möglichkeit weiter zu lernen, sich mit einem Thema, das einen begeistert intensiv auseinandersetzen zu können, Projektorganisation, Problemlösungs- und Arbeitsstrategien zu erwerben und ein Netzwerk von Wissenschaftler*innen aufzubauen – nennen viele Promovierende mit Beeinträchtigungen die gute Vereinbarkeit der Promotion mit ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen als einen großen Vorteil der Wissenschaft gegenüber anderen Arbeitsfeldern. Gründe dafür sind eine flexible Arbeitsstruktur und die, seit der Corona-Pandemie verstärkten Möglichkeiten, aus dem Homeoffice zu arbeiten. Da es in einigen Fachrichtungen selten feste Kernarbeitszeiten gibt, sind Arzt- und Therapietermine, Erholungspausen und eine individuelle Tageseinteilung prinzipiell gut mit der Arbeit vereinbar. Darüber hinaus sind viele Aufgaben gegebenenfalls nicht örtlich gebunden, sodass der Arbeitsort individuell wählbar ist. Diese zeitliche und räumlich Flexibilität ist jedoch sehr fachabhängig. Promotionen, die beispielsweise Forschung im Labor umfassen sind dagegen stark örtlich und zeitlich gebunden.
Zeitlicher Mehraufwand
Der zeitliche Mehraufwand ist eine der häufigsten Barrieren, die Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen erleben. Zeitlicher Mehraufwand bedeutet, dass Promovierende mit Beeinträchtigungen für einzelne Tätigkeiten länger brauchen als Promovierende ohne Beeinträchtigungen. Ursachen dafür sind vor allem Barrieren in der Umwelt, aber auch der bürokratische Aufwand und die Organisation der Beeinträchtigungen selbst.
- Barrieren in der Umwelt können der Weg durch nicht-barrierefreie Gebäude und das Universitätsgelände sein oder (digitale) Literatur, die nicht von Screenreadern vorgelesen werden kann und daher von Assistent*innen für blinde Promovierende zugänglich gemacht werden muss.
- Die Beeinträchtigung, beziehungsweise deren Management, bedingt oft ebenfalls einen zeitlichen Mehraufwand, beispielsweise durch die Organisation und das Wahrnehmen von Arzt- und Therapieterminen oder begrenzte persönliche Energieressourcen, die sich auch auf die Konzentrationsfähigkeit auswirken.
- Der bürokratische Aufwand ist ein Thema, das Ihnen wahrscheinlich bereits bekannt vorkommt. Auch während der Promotion entsteht ein zusätzlicher Aufwand durch die Beantragung von Unterstützungsleistungen, die Promovierenden und Beschäftigten mit Beeinträchtigungen rechtlich zustehen (mehr dazu unter „Welche Rechte und Ansprüche habe ich in meiner Promotion?“). Was jedoch als Unterstützung zur Teilhabe gedacht ist, stellt oft eine zusätzliche Belastung dar, denn die Antragswege sind nicht immer leicht verständlich und die Zuständigkeiten an Hochschulen und bei Kostenträgern zum Teil unklar. Außerdem fordern die zuständigen Behörden oft umfangreiche Dokumentationen und Nachweise zu Bedarfen wie Assistenz, Dolmetscher*innen und Arbeitsplatzanpassungen. Deshalb kann es sinnvoll sein, sich krankheitsbedingte Ausfälle attestieren zu lassen und sie zu dokumentieren. Hinzu kommt, dass Ansprechpersonen, die Promovierende sowohl zur Promotion als auch zu Besonderheiten des Promovierens mit gesundheitlicher Beeinträchtigung in der Wissenschaft beraten können, (noch) fehlen. Der bürokratische Aufwand und die langwierigen Antragsprozesse führen so fast immer zu einer Verzögerung der Bewilligung. Ist eine Unterstützungsleistung für die Aufnahme der Promotionstätigkeit notwendig, verzögert sich dadurch auch der Promotionsbeginn. Deshalb raten wir dazu, sich so früh wie möglich an Ansprechpersonen und Beratungsstellen an der Wunschhochschule zu wenden, beispielsweise an die Beratung für Studierende mit Behinderungen beziehungsweise die Schwerbehindertenvertretung für Beschäftigte. Weitere Anlaufstellen und Ansprechpersonen finden Sie im Abschnitt „Anlaufstellen & Ansprechpersonen“.
Da Zeit während der Promotion ohnehin eine begrenzte Ressource ist, entsteht so ein zusätzlicher Druck. Deshalb haben Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter Umständen die Möglichkeit die Finanzierung ihrer Promotionszeit zu verlängern. Bei einer Beschäftigung sieht das Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine Verlängerung der Beschäftigung um bis zu zwei Jahre für Promovierende mit Behinderungen und Erkrankungen vor (§2 WissZeitVG). Auch Krankengeldzeiten können grundsätzlich – auf Antrag – an das Vertragsende angehängt werden. Stipendiengeber*innen ermöglichen gegebenenfalls ebenfalls eine Verlängerung des Stipendiums. Jedoch gibt es keinen Anspruch auf eine Verlängerung der Beschäftigung oder des Stipendiums.
Zum Umgang mit beeinträchtigungsbedingtem zeitlichem Mehraufwand haben wir folgende Tipps:
- Besprechen Sie Zeitbudgets und Fristen von Arbeitsaufgaben mit Ihrer Betreuung und Ihren Arbeitgeber*innen.
- Kommunizieren Sie gegenüber Ihren Vorgesetzten, was Sie brauchen, um Ihre Arbeit gut machen zu können. Wenn möglich, erklären Sie Ihre Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf Ihre Arbeit.
- Informieren Sie sich über Ihre Rechte, beispielsweise in den Abschnitten „Welche Rechte und Ansprüche habe ich während meiner Promotion?“ und „Welche Vorteile hat eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung?“.
- Wenn Sie an einer Hochschule oder in einem Forschungsinstitut angestellt sind, können Sie sich durch die Schwerbehindertenvertretung beraten lassen.
- Wenn Sie als Promotionstudent*in eingeschrieben sind können Sie sich an die Beauftragten für Studierende mit Behinderungen wenden.
- Weitere Beratungsstellen und Ansprechpersonen finden Sie im Abschnitt „Anlaufstellen & Ansprechpersonen“.
Barrieren in den Köpfen
Barrieren in den Köpfen gibt es, ebenso wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, auch in der Wissenschaft. Ein Grund dafür könnte die implizite Vorstellung sein, dass Wissenschaftler*innen einem bestimmten Bild entsprechen sollten. Gemäß diesem Bild sind Wissenschaftler*innen flexibel, leidens- bzw. leistungsbereit und widmen sich ausschließlich ihrer Leidenschaft für Forschung und Lehre. Diese Vorstellung kann Personen ausschließen, die diesem Bild nicht entsprechen können oder wollen, beziehungsweise die von der Gesellschaft entsprechend wahrgenommen werden. Hier kann der sogenannte Ableismus zum Tragen kommen. Ableismus ist, ähnlich wie Sexismus und Rassismus, ein gesellschaftliches Phänomen, das mit der Diskriminierung von Personen mit Beeinträchtigungen verbunden ist. Ein Merkmal von Ableismus ist die (unbewusste) Vorstellung, dass Menschen mit Beeinträchtigungen kein gleichwertige Leistung erbringen können wie Menschen ohne Beeinträchtigungen. Für Promovierende mit Beeinträchtigungen kann das bedeuten, dass ihnen eine Promotion nicht zugetraut wird. Während der Promotion kann es sein, dass ihnen (unbeabsichtigt) zusätzliche Barrieren in den Weg gestellt werden, zum Beispiel wenn eine wissenschaftliche Mitarbeiterin mit Mobilitätsbeeinträchtigung ein Seminar anbieten soll, aber um einen barrierefreien Raum kämpfen muss. Insbesondere Personen mit unsichtbaren Beeinträchtigungen erleben oft, dass ihre Bedarfe nicht ernstgenommen werden. Für viele ist die Entscheidung für oder gegen eine Offenlegung der Beeinträchtigung auch deshalb eine schwierige Entscheidung. Mit einer Offenlegung kann man Unterstützungsleistungen am Arbeitsplatz erhalten, allerdings haben viele auch Sorge vor möglicher Stigmatisierung. Darum stellt das Projekt „Sag ich’s? – chronisch krank im Job“ eine Entscheidungshilfe sowie Informationen und Hinweise auf Beratungsstellen auf der Website https://sag-ichs.de/start zur Verfügung.
Für Promovierende mit Beeinträchtigungen kostet der Kampf gegen Barrieren in den Köpfen oft Zeit und Energie, was zulasten der Promotionstätigkeit gehen kann. Deshalb kann es helfen, sich Mitstreiter*innen zu suchen, zum Beispiel andere Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die Schwerbehindertenvertretung oder die Beauftragten für Studierende mit Behinderungen. Beim virtuellen PROMI-Stammtisch können Sie sich beispielsweise mit anderen Promovierenden mit Beeinträchtigungen austausche. Informationen dazu finden Sie unter Peer-Vernetzung und -Expertise.
Zeitdruck und Belastungen
Zeitdruck und Belastungen erleben fast alle Promovierenden. Befristete Teilzeitverträge, der Druck zu publizieren und Netzwerke zu knüpfen, Lehre und hochschulische Administration ist für alle belastend. Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen erleben aufgrund oben genannter Barrieren zusätzlich erschwerte Bedingungen. Oft sind sich Vorgesetzte und Betreuer*innen dessen nicht bewusst und so können Missverständnisse zwischen ihnen und den Promovierenden entstehen. Die Forschung hat gezeigt, dass Promovierende und Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in solchen Situationen oft ihre eigenen Ressourcen nutzen, bzw. sich überfordern, um den Erwartungen gerecht zu werden. Deshalb ist es wichtig, sich selbst bewusst zu machen, dass man als Promovierende*r mit Beeinträchtigungen Anspruch auf Nachteilsausgleiche und Unterstützung hat, denn Selbstüberforderung ist weder nachhaltig noch zielführend. Oft ist es schon hilfreich, möglichst transparent mit Betreuer*innen über Arbeitspakete und Abgabefristen zu sprechen und sich mit anderen Promovierenden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen über Schwierigkeiten, Ressourcen und Lösungen auszutauschen.
Eine Möglichkeit dazu bietet der Peer-Support von PROMI unter Peer-Vernetzung und -Expertise.
Da Behinderungen und Beeinträchtigungen sehr divers sind und jede*r Promovierende einen eigenen Umgang damit hat, gibt es ganz unterschiedliche Strategien mit den Hürden umzugehen. Das verdeutlicht der Bericht von zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen an der Universität zu Köln, die einen Einblick in ihre persönlichen Erfahrungen als Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen geben:
Ich will promovieren – wo fange ich an?
Wenn Sie sich entschieden haben zu promovieren, beginnt nun die Vorbereitung Ihrer Promotion. Zuallererst stehen die Wahl des Forschungsthemas, die Finanzierung und die Betreuung im Fokus. Darüber hinaus empfehlen wir, sich von Anfang an mit anderen Promovierenden und mit den Beauftragten für Studierende mit Behinderungen, beziehungsweise, im Fall einer Beschäftigung, der Schwerbehindertenvertretung auszutauschen, um Mitstreiter*innen zu finden.
Da es bereits viele Handreichungen für die ersten Schritte der Promotion gibt die sich an alle Promovierenden richten (einige sind im Abschnitt „Was erwartet mich bei einer Promotion in Deutschland?“ verlinkt), konzentrieren wir uns hier auf die Informationen die für Promovierende mit Beeinträchtigungen wichtig sind.
Forschungsthema
Die meisten Promotionsinteressierten haben eine grobe Idee, in welche Richtung ihr Forschungsvorhaben gehen soll. Vielleicht sind Sie fasziniert von einer neuen Entdeckung in Ihrem Themenfeld, oder die Forschungsfrage Ihrer Abschlussarbeit lässt Sie nicht mehr los.
Vielleicht interessieren Sie sich jedoch für eine Promotion, sind aber noch nicht sicher, zu welchem Thema Sie promovieren wollen? Dann können Stellenausschreibungen für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen oder von Graduiertenkollegien helfen. Anhand der ausgeschriebenen Themenfelder können Sie eine eigene Fragestellung entwickeln oder ein eigenes Thema konkretisieren. Für Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen kann es auch sinnvoll sein, bei der Themenwahl zu überlegen, ob das gewählte Thema zu den eigenen Bedarfen und den strukturellen Rahmenbedingungen der Promotion passt. Einige Themen können beispielsweise nur durch Reisen oder längere Forschungsaufenthalte im Ausland erforscht werden. Auch sind manche Tätigkeiten, wie die Arbeit im Schichtdienst an einem Teleskop in der Astrophysik, eventuell nicht mit persönlichen Energieressourcen vereinbar. In jedem Fall kann es hilfreich sein, sich mit (möglichen) Betreuer*innen zu Beginn auszutauschen, was die Erwartungen an eine Promotion zu einem bestimmten Forschungsthema sind.
Betreuung
Neben der Frage, ob die Betreuung inhaltlich zu Ihrem Forschungsthema passt, ist die Wahl der Promotionsbetreuung natürlich auch eine praktische und zwischenmenschliche Überlegung. Welche*r Professor*in ist zu Ihrem Forschungsthema gut vernetzt und hat interessante Projekte? Welche Erfahrungen haben andere Promovierende mit ihm oder ihr als Betreuer*in gemacht? Falls Sie nur eingeschränkt mobil sind, spielt es auch eine Rolle, wie oft und wie lange Sie sich an der Hochschule der Betreuung aufhalten müssen und welche Fahrmöglichkeiten Ihnen zur Verfügung stehen. Wichtig ist es, sich bewusst zu machen, dass die Promotion ein langfristiges Betreuungsverhältnis voraussetzt. Studien zeigen, dass Betreuer*innen eine ganz entscheidende Rolle spielen für das Ge- oder Misslingen von Promotionen und wissenschaftlichen Karrieren. Sie führen ihre Promovierenden auch in das Wissenschaftsfeld ein, vernetzen und können gegebenenfalls Weichen für die spätere Karriere stellen. Bei der Betreuungssuche gibt es Unterschiede zwischen Individualpromotion und strukturierter Promotion. Bei der Individualpromotion sprechen Sie zu Beginn der Promotion mögliche Betreuer*innen an und stellen ihnen Ihr Thema vor. Bei der strukturierten Promotion müssen Sie Ihr Forschungsprojekt an das übergeordnete Thema des Kollegs oder der Schule anpassen und entscheiden sich erst im Laufe des Programms für eine Betreuung.
Zur Wahl der Betreuung gibt es viele Handreichungen, beispielsweise von Zeit Campus: Ratgeber Promotion und dem Qualitätszirkel für Promotion: Gemeinsam die Promotion gestalten
Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen fragen sich vielleicht auch, wie und wann sie ihre Beeinträchtigung kommunizieren sollen und ob eine Pflicht zur Offenlegung besteht. Grundsätzlich ist niemand verpflichtet, eine Beeinträchtigung offenzulegen. Die Entscheidung ist komplex und muss individuell abgewogen werden. Mehr Informationen dazu gibt es im Abschnitt „Muss ich meine gesundheitliche Beeinträchtigung offenlegen?“.
Tipps für die Kontaktaufnahme:
- Recherchieren Sie Professor*innen zu Ihrem Thema. Bei strukturierten Promotionsprogrammen erhalten Sie meist eine Übersicht beteiligter Wissenschaftler*innen an die Sie sich wenden können.
- Wenn Sie mögliche Betreuer*innen ins Auge gefasst haben, können Sie eine erste E-Mail mit Ihrem Lebenslauf und Exposé schreiben, in der Sie sich vorstellen und Ihr Forschungsvorhaben kurz beschreiben. Es ist wichtig, dass Sie in dieser E-Mail deutlich machen, warum Sie und Ihr Forschungsvorhaben gut zu dem Arbeitsbereich der kontaktierten möglichen Betreuung passen. Wenn Sie auf Ihre erste E-Mail noch keine Antwort erhalten, können Sie nach vier bis sechs Wochen an Ihre Anfrage erinnern.
- Wenn Sie eine Rückmeldung und ein Gesprächsangebot bekommen, sollten Sie sich vorbereiten, indem Sie Ihr Exposé noch einmal lesen und sich Notizen zu möglichen Rückfragen machen. Notieren Sie sich auch, dass Sie bei einer positiven Rückmeldung nach dem weiteren Vorgehen und konkreten nächsten Schritten fragen.
- Nachteilsausgleiche und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden oft von zuständigen Stellen und Arbeitgeber*innen beantragt oder bewilligt. Daher ist für den Erhalt dieser Leistungen zumindest eine teilweise Offenlegung der Beeinträchtigung notwendig. Weitere Informationen und Hilfestellungen zum Thema Offenlegung gibt es im Abschnitt „Muss ich meine gesundheitliche Beeinträchtigung offenlegen?“.
- Fragen zu Rechten und Ansprüchen von Promovierenden mit Beeinträchtigungen und zu Barrierefreiheit an der spezifischen Hochschule können Professor*innen häufig nicht beantworten, deshalb kann es sinnvoll sein, nach einem ersten positiven Gespräch die Beauftragten für Studierende mit Behinderungen und die Schwerbehindertenvertretung zu kontaktieren. So bekommen Sie einen ersten Eindruck von Inklusion und Barrierefreiheit an der Hochschule und können sich nach möglichen Unterstützungsleistungen erkundigen. Sollten Sie eine Promotionsstelle bekommen und Unterstützungsleistungen im Arbeitsleben beantragen dauert es häufig lange, bis Leistungen bewilligt werden. Darum ist es sinnvoll, möglichst früh zu beginnen. Rechte und Ansprüche sind grundsätzlich von dem Finanzierungsmodell Ihrer Promotion abhängig.
Finanzierung
Die Finanzierung ist der Faktor, der die alltägliche Arbeit an der Promotion am meisten beeinflusst. Besonders für Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist das Finanzierungsmodell maßgeblich für den Zugang zu Unterstützungsleistungen, beispielsweise behindertengerechter Arbeitsplatzausstattung. Die Finanzierung beeinflusst aber auch, wie viel Zeit täglich für die Promotion zur Verfügung steht und ob man individuell promoviert oder in einem strukturierten Promotionsprogramm. Es gibt viele verschiedene Finanzierungsmodelle, von denen hier die wichtigsten vorgestellt werden:
- Promotionsstelle an der Universität/am Forschungsinstitut: Die meisten Promovierenden in Deutschland finanzieren sich durch eine Stelle als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in an einer Universität oder an einem Forschungsinstitut. In der Regel handelt es sich um befristete Teilzeitstellen von drei Jahren. Promovierende mit einer Promotionsstelle sind in die Arbeit eines Lehrstuhls, einer Professur oder eines Instituts eingebunden. Sie geben Seminare, führen eigene Forschungsprojekte durch und übernehmen administrative Aufgaben. Das bedeutet, dass die Arbeitszeit, obwohl die Stellen als Qualifikationsstellen ausgeschrieben sind, nicht ausschließlich für die Promotionsstätigkeit verfügbar ist. Oft arbeiten Promovierende deshalb auch außerhalb ihrer Arbeitszeit an der Promotion. Viele Promovierende, die mit diesem Modell ihre Promotion finanzieren, berichten daher von hohem Zeitdruck und Belastung.
Promotionsstellen sind in der Regel dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) geregelt, das vorgibt, dass Promotionsstellen auf maximal sechs Jahre befristet werden können. Für Promovierende mit Beeinträchtigungen gilt hier eine Besonderheit. Laut §2 des WissZeitVG ist es möglich, die maximale Befristungsdauer bei Schwerbehinderung und chronischen Erkrankungen um zwei Jahre zu verlängern. Allerdings besteht kein rechtlicher Anspruch darauf.
Für Promovierende mit Beeinträchtigungen hat die Promotionsstelle einen großen Vorteil gegenüber anderen Finanzierungsmodellen, denn als sozialversicherungspflichtig angestellte Arbeitnehmer*innen haben Promovierende während ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit ein Recht auf sogenannte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA). Dabei handelt es sich um Unterstützungsleistungen, um Schwierigkeiten in der Berufsausführung, aufgrund von gesundheitlichen Beeinträchtigungen und umweltbedingten Barrieren, ausgleichen oder zu mildern.
Mehr Informationen zu diesem Finanzierungsmodell gibt es im Abschnitt „Welche Vorteile hat eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung?“.
- Stipendium: Viele Stipendiengeber*innen bieten Promotionsstipendien an. In der Regel erhalten Stipendiat*innen bis zu drei Jahre lang einen monatlichen Betrag zwischen 800 bis 1500 Euro. Einige Stiftungen ermöglichen Stipendiat*innen bei Erkrankungen oder Beeinträchtigungen eine Verlängerung über die reguläre Förderzeit hinaus. Das muss jedoch gut begründet und dokumentiert werden.
Anders als bei einer Promotionsstelle sind Stipendien kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, sodass unter anderem die Krankenversicherung selbst gezahlt werden muss. Dafür kann man bei einigen Stipendiengeber*innen einen Zuschuss erhalten. Ein Vorteil des Stipendiums ist es, keine zusätzlichen Aufgaben in der Lehre oder Administration zu haben und sich auf die Promotion konzentrieren zu können. Ein wesentlicher Nachteil ist jedoch, dass Stipendien keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben finanzieren.
- Finanzierung durch Drittmittel: Einige Stellen an der Universität oder in Forschungsinstituten werden durch Gelder von Fördermittelgeber*innen finanziert. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), (die größte öffentliche Fördermittelgeberin in Deutschland) und einige andere berücksichtigen bei der Projektfinanzierung unter Umständen die Situation von Wissenschaftler*innen mit Behinderungen und finanzieren auch Mehrbedarfe, beziehungsweise Nachteilsausgleiche bei Projektförderungen. Da einige Promotionsstellen durch Drittmittel finanziert werden, ist das auch für Promovierende relevant.
Bei Fragen zu Projektanträgen und Maßnahmen der DFG können Sie sich an die Ansprechperson bei der DFG zum Thema Chancengleichheit wenden: Gruppe Chancengleichheit, Wissenschaftliche Integrität und Verfahrensgestaltung
- Graduiertenkollegien/-schulen: Graduiertenkollegien oder -schulen sind universitäre Studien- und Forschungsprogramme, in denen mehrere Doktorand*innen zu einem größeren Themenzusammenhang, aber mit jeweils eigenen Projekten promovieren (teilweise wird der Begriff Graduiertenschule auch für Programme verwendet, die keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen und nur Begleitprogramme sind). Eine Promotion an Graduiertenkollegien oder -schulen ermöglicht eine Konzentration auf das Promotionsprojekt, da gewöhnlich keine Lehre oder administrative Aufgaben übernommen werden müssen. Die Promotionsphase ist durch einen Lehrplan (Curriculum) strukturiert. Darüber hinaus wird erwartet, sich durch die Gestaltung eines Rahmenprogramms, bestehend aus Tagungen, Workshops und Vorträgen, einzubringen
Die Promotion wird durch ein Stipendium oder eine Teilzeitstelle für einen befristeten Zeitraum finanziert. Daher bestehen die gleichen Vor- und Nachteile wie bei einem Stipendium oder einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.
- Nebenberufliche Promotion: Einige Promovierende finanzieren ihren Lebensunterhalt durch eine Berufstätigkeit außerhalb wissenschaftlicher Institutionen. Das hat den Vorteil, dass Promotion und Berufsleben klar voneinander getrennt sind. Allerdings fehlt vielen Promovierenden in diesem Modell die Anbindung an den wissenschaftlichen Austausch und die Infrastruktur einer Forschungseinrichtung. Wer außerdem eine Karriere in der Wissenschaft plant, sollte sich so früh wie möglich mit anderen Wissenschaftler*innen vernetzen, Lehrerfahrung durch Seminare sammeln und Artikel veröffentlichen. Viele Graduiertenkollegien bieten assoziierten Wissenschaftler*innen mit externer Finanzierung an, von den Strukturen des Kollegs zu profitieren. Für Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen bietet dieses Finanzierungsmodell jedoch keinerlei Unterstützungsleistungen für die Promotion.
Fragen zur Reflexion
Jedes der genannten Finanzierungsmodelle hat Vor- und Nachteile. Da Sie am besten über Ihre Bedarfe Bescheid wissen, können nur Sie entscheiden, welches Modell am ehesten zu Ihrer Situation passt. Bevor Sie sich entscheiden, reflektieren Sie Ihre Situation und Ihre Erfahrungen im Studium.
Fragen Sie sich: Was brauche ich, um gut arbeiten zu können?
- Müssen Sie mit einem zeitlichen Mehraufwand bei der Arbeit rechnen? Brauchen Sie beispielsweise länger, um sich Texte zu erarbeiten oder haben Sie eine zusätzliche zeitliche Belastung durch Arzt-/Therapietermine etc.? Einige Finanzierungsmodelle sind mit mehr zusätzlichen Aufgaben verbunden als andere, zum Beispiel die Finanzierung durch eine Promotionsstelle oder eine nebenberufliche Beschäftigung.
- Haben Sie die zeitliche Ressourcen und die Energie zwei Tätigkeiten wie Promotion und Teilzeitbeschäftigung parallel auszuüben? Sowohl ein Nebenberuf als auch eine Promotionsstelle an der Universität sind zusätzliche Arbeitsaufgaben. Das braucht Zeit und Energie, die sie mit einem anderen Finanzierungsmodell für Ihre Promotion nutzen könnten. Mit diesem Finanzierungsmodell müssen Sie außerdem viele Arbeitsaufgaben unter einen Hut bringen.
- Brauchen Sie Unterstützungsleistungen, beispielsweise personelle oder technische Assistenz oder eine behindertengerechte Arbeitsplatzausstattung? Die Kosten für Arbeitsplatzanpassungen oder Assistenzen während der Promotion werden meist nur bei einer sozialversicherungspflichtigen Promotionsstelle übernommen. Bei Finanzierungsmodellen wie Stipendium oder nebenberuflicher Beschäftigung sind keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben möglich.
Weitere Informationen zu Unterstützungsleistungen im Arbeitsleben finden Sie im Abschnitt „Welche Vorteile hat eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung?“.
Netzwerke, Mitstreiter*innen und Anlaufstellen
Die Promotionstätigkeit wird immer wieder als „einsames Geschäft des Denkens“ beschrieben. Natürlich ist das Forschen in Archiven und Laboren, das Lesen von Texten, die Materialanalyse und so weiter eine Arbeit, die autonom gemacht werden muss, aber jede wissenschaftliche Arbeit lebt auch davon, dass Standpunkte und Forschungsfragen ausgetauscht, diskutiert und kritisch reflektiert werden. Außerdem kann es hilfreich sein, sich mit anderen über die persönlichen Promotionserfahrungen auszutauschen und herauszufinden, wie sie mit Herausforderungen umgehen und welche Lösungen sie gefunden haben.
Die erste Anlaufstation für den Austausch mit anderen Promovierenden sind Graduierteneinrichtungen und Anlaufstellen der jeweiligen Fachgesellschaften (die wissenschaftliche Vereinigung eines bestimmten Fachgebiets). Diese bieten Promovierenden Beratung, Austauschformate, Arbeitsgruppen und Workshops an. Darüber hinaus können Sie auch Tagungen und Konferenzen besuchen oder Kontakt zu anderen Promovierenden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen suchen um sich auszutauschen.
Tipps zur Vernetzung:
- Falls Ihre Graduierteneinrichtung eine interessante Veranstaltung anbietet, aber keine Informationen zur Barrierefreiheit hat, lohnt es sich, die Veranstalter*innen zu kontaktieren und sich zu erkundigen. Graduierteneinrichtungen haben gegebenenfalls die Möglichkeit in einen barrierenfreien Raum zu wechseln oder mit finanzieller Unterstützung von Seiten der Hochschule Gebärdensprach- und Schriftdolmetschung anzubieten. Die Universität zu Köln hat dafür beispielsweise den Fonds „Gebärdensprach- und Schriftdolmetschen“. Da Graduierteneinrichtungen Einrichtungen der Hochschulen sind sie dazu verpflichtet die Bedarfe von Promovierenden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausreichend zu berücksichtigen und Teilhabe zu ermöglichen, jedoch muss der Aufwand der Anpassungen auch angemessen sein.
- Gleiches gilt für Tagungen. Falls bei der Anmeldung keine Informationen zur Barrierefreiheit bereitgestellt werden, lohnt es sich nachzufragen.
- Wenn Sie sich mit anderen Promovierenden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen austauschen möchten, gibt es zum Beispiel einen virtuellen Stammtisch für Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder die Peer-Beratung des PROMI-Projektes.
- Seien Sie fürsorglich mit sich selbst. Manchmal kann einem der wissenschaftliche Alltag und das eigene Pflichtgefühl über den Kopf wachsen. Dann kann es vielleicht helfen, Veranstaltungen zu priorisieren und nur diejenigen zu besuchen, die Ihnen wirklich wichtig sind.
Muss ich meine gesundheitliche Beeinträchtigung offenlegen?
Die Mehrheit der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist nicht ohne Weiteres sichtbar. Das zeigte die Studie „beeinträchtigt studieren – best2 Datenerhebung zur Situation Studierender mit Behinderung und chronischer Krankheit – 2016/17“ von Poskowsky et al. aus dem Jahr 2018. In der Studie wurde die Situation Studierender mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen untersucht und ein Anteil von 96 Prozent der befragten Studierenden gab an, dass ihre Beeinträchtigung für Außenstehende nicht auf den ersten Blick sichtbar sei.
Personen mit unsichtbaren Behinderungen erleben möglicherweise andere Herausforderungen als diejenigen, deren Beeinträchtigung deutlich sichtbar ist. Ein grundlegender Unterschied ist beispielsweise, dass man entscheiden kann, ob, wann und wie man eine unsichtbare Beeinträchtigung gegenüber den Promotionsbetreuer*innen offenlegt. Darüber hinaus berichten Studierende mit unsichtbaren Beeinträchtigungen, dass ihre Bedarfe manchmal weniger berücksichtigt werden, weil sie für Außenstehende nicht offensichtlich erscheinen.
Grundsätzlich sind Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zu einer Offenlegung verpflichtet. Als Ausnahme gilt jedoch, wenn eine Person sich selbst oder andere gefährdet (zum Beispiel durch ansteckende Krankheiten) oder wenn sie vertraglich vereinbarte Leistungen nicht mehr erbringen kann. Weitere Informationen dazu bietet das Projekt Sag-ich’s? Chronisch krank im Job: Sag-ich’s? Ihre Rechte und Pflichten.
Eine Offenlegung kann Vor- und Nachteile haben. Einige Unterstützungsleistungen wie Fristverlängerungen, Nachteilsausgleiche bei Prüfungsleistungen und so weiter setzen zum Beispiel eine Offenlegung gegenüber Arbeitgeber*innen, Betreuung und/oder Schwerbehindertenvertretung voraus. In einigen Fällen kann es auch von Vorteil sein, Arbeitgeber*innen und Promotionsbetreuende darüber zu informieren, ob und wie sich die Beeinträchtigung auf die eigene Arbeitsweise auswirkt. Denn nur so kann auch kommuniziert werden, was man braucht, um gut arbeiten zu können und das Gegenüber kann darauf eingehen. Andererseits gibt es auch Personen mit Beeinträchtigungen, die die Sorge haben, dass sie infolge der Offenlegung stigmatisiert und anders behandelt werden.
Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass die Entscheidung für oder gegen eine Offenlegung immer individuell und sehr persönlich ist und es keine universal richtige Entscheidung gibt.
- Die Website https://sag-ichs.de unterstützt Arbeitnehmer*innen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei der schwierigen Entscheidung für oder gegen eine Offenlegung und hat viele hilfreiche Informationen sowie eine Übersicht über Beratungsangebote: Beratung und Unterstützung.
- Promovierende können sich an die Beratungsstellen für Studierende mit Behinderungen wenden.
- Promovierende, die an der Universität oder in einer Forschungseinrichtung beschäftigt sind, können außerdem die Beratung der Schwerbehindertenvertretung in Anspruch nehmen.
Wie kann ich eine Beeinträchtigung als Behinderung anerkennen lassen?
Einige Rechte und Leistungen, die beeinträchtigten Menschen zustehen, sind an die amtliche Anerkennung der Behinderung nach Sozialgesetzbuch neun (SGB XI) gebunden. Dazu gehören beispielsweise Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wie persönliche und technische Assistenzen oder Arbeitsplatzausstattungen. Deshalb kann es in einigen Fällen sinnvoll sein, einen Antrag auf amtliche Anerkennung zu stellen.
Nach deutschem Recht gibt es viele gesundheitliche Beeinträchtigungen, die als Behinderungen anerkannt werden können. Das sind unter anderem:
- Langfristige psychische Erkrankungen, zum Beispiel Depressionen
- Teilleistungsbeeinträchtigungen/Neurodiversität wie Legasthenie, Autismus oder ADHS
- Chronische und langfristige Erkrankungen wie Rheuma oder Morbus Crohn
- Beeinträchtigungen im Bereich der Sinnesorgane beispielsweise Seh- oder Hörbeeinträchtigungen
- Sprech- und Mobilitätsbeeinträchtigungen
Eine amtliche Anerkennung der Beeinträchtigung als Behinderung ist möglich, wenn Menschen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung Barrieren in ihrer sozialen und physischen Umwelt erleben und deshalb über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft, zum Beispiel im Berufsleben, gehindert werden.
Anerkennung einer Behinderung
Eine amtliche Anerkennung der Beeinträchtigung als Behinderung kann beim Versorgungsamt beantragt werden. Dabei wird – je nach Schwere der Beeinträchtigung – ein Grad der Behinderung (GdB) zuerkannt:
- Ab einem GdB von 50 spricht man von einer Schwerbehinderung.
- Personen mit einem GdB zwischen 30 und 50 können bei der zuständigen Arbeitsagentur eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen beantragen, wenn sie diese zum Erlangen oder Behalten eines Arbeitsplatzes brauchen.
Menschen mit einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung haben einen rechtlichen Anspruch auf (finanzielle) Leistungen und Nachteilsausgleiche am Arbeitsplatz (§2 Abs. 2 SGB IX).
Weiterführende Informationen zur Anerkennung der Behinderung und der Gleichstellung finden Sie beim VDK – Informationen zum GdB und Schwerbehinderung und unter REHADAT – Informationen zur Gleichstellung.
Welche Rechte & Ansprüche habe ich während meiner Promotion?
Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen haben gegebenenfalls die Möglichkeit, verschiedene Unterstützungsleistungen zu beantragen. Abhängig von der Promotionsfinanzierung leiten sich jedoch unterschiedliche Rechte, Ansprüche und Ansprechpersonen ab.
Da Promovierende mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung an der Universität/am Forschungsinstitut Arbeitnehmer*innen sind, stehen ihnen in der Regel mehr Ressourcen zur Verfügung. Sie und ihre Arbeitgeber*innen können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) beantragen. Die beschäftigten (schwerbehinderten) Promovierenden haben außerdem nicht nur ein Recht auf Nachteilsausgleiche bei Prüfungsleistungen, sondern auch auf Nachteilsausgleiche am Arbeitsplatz. Diese Möglichkeiten haben Promovierende ohne Anstellung nicht. Mehr dazu unter „Welche Vorteile hat eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung?“.
Hier führen wir Ressourcen auf, die – unabhängig von ihrem Beschäftigungsverhältnis und der amtlichen Anerkennung ihrer Behinderung – allen Promovierenden zur Verfügung stehen.
Nachteilsausgleich bei Prüfungsleistungen
Promovierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen haben gegebenenfalls die Möglichkeit, Nachteilsausgleiche bei Prüfungsleistungen zu beantragen. Nachteilsausgleich bedeutet, dass das Prüfungsformat so angepasst wird, dass Promovierende möglichst barrierefrei die Prüfungsleistung erbringen können. Mögliche Nachteilsausgleiche bei Prüfungsleistungen sind unter anderem:
- Änderungen bei der Prüfungszeit, zum Beispiel eine Verlängerung sowie mehr oder längere Pausen
- Anpassung der Prüfungsform, zum Beispiel eine virtuelle Disputation statt einer Verteidigung vor Ort
- Gebärdensprach- und/oder Schriftdolmetscher*innen in der Prüfung
- Technische Hilfen, beispielsweise Sehhilfen
- Assistenzen in der Prüfung
Sieht Ihre Hochschule Nachteilsausgleiche bei Prüfungsleistungen vor, sind diese in der Promotionsordnung geregelt. Nach aktuellem Stand haben jedoch noch nicht alle Hochschulen bzw. Fakultäten die Belange Promovierender mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen schriftlich in der Promotionsordnung fixiert. Doch auch wenn Ihre Hochschule/Ihr Fachbereich einen solchen Nachteilsausgleich nicht explizit vorsieht, ergibt sich aus dem jeweiligen Landeshochschulgesetz, der Hochschulsatzung und dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung ein Anrecht darauf. Unterstützung bei der Beantragung finden Sie im Promotionsbüro oder bei den Beauftragten für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen Ihrer Hochschule.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung
In begründeten Fällen können auch Promovierende die keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen Unterstützungsleistungen erhalten. Diese werden als Leistungen zur Teilhabe an Bildung (LTB) bezeichnet und durch einen anderen Rehabilitationsträger finanziert. Die Leistungen können Assistenzen, Ausstattungen, Dolmetschung (beispielsweise für Gebärdensprache) und so weiter sein. Ein begründeter Fall liegt vor, wenn gezeigt werden kann, dass die Promotion zum Erreichen des angestrebten Berufsziels erforderlich ist. Die Leistungen sind meist Geldmittel, aber auch Sach- und Dienstleistungen und können beim zuständigen Rehabilitationsträger beantragt werden. Rehabilitationsträger sind Institutionen, die Kosten für Hilfen und Leistungen zur Teilhabe finanzieren. Es gibt mehrere Rehabilitationsträger in Deutschland und jeder Träger hat einen spezifischen Zuständigkeitsbereich. Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhaben an Bildung sind beispielsweise die gesetzliche Unfallversicherung oder Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Anträge auf Leistungen zur Teilhabe an Bildung im Rahmen der Promotion wurden jedoch in der Vergangenheit häufig abgelehnt, da diese nicht als erforderlich zum Erreichen des angestrebten Berufsziels beurteilt wurde. Wenn Sie sich zu Leistungen zur Teilhabe an Bildung beraten lassen möchten, können Sie sich am besten an die Beauftragten für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen oder, außerhalb der Hochschule, an die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) wenden: https://www.teilhabeberatung.de/
Welche Vorteile hat eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung?
Eine Promotion im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung an der Hochschule oder an einer außeruniversitären Forschungseinrichtung ist mit einigen Rechten und Vorteilen verbunden, die Promovierenden mit einem Stipendium oder einem Nebenjob nicht zur Verfügung stehen.
Recht auf Nachteilsausgleiche
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit anerkannter Schwerbehinderung haben ein Recht auf verschiedene Nachteilsausgleiche. Gegebenenfalls sind Nachteilsausgleiche vom Grad der Behinderung oder bestimmten Merkzeichen auf dem Behindertenausweis (beispielsweise G für erhebliche Geh- und Stehbehinderung) abhängig. Möglich sind unter anderem folgende Ausgleiche im Berufsleben:
- Schwerbehinderte Beschäftigte haben einen Anspruch auf Zusatzurlaub. Der Umfang berechnet sich anhand der wöchentlichen Arbeitstage.
- Für schwerbehinderte Beschäftigte besteht ein besonderer Kündigungsschutz.
Eine Übersicht über verschiedene Nachteilsausgleiche und ausführlichere Informationen finden Sie unter: REHADAT Lexikon – Nachteilsausgleiche.
Unterstützungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz
Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Beschäftigte und ihre Arbeitgeber*innen können gegebenenfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§45 SGB IX) sowie Unterstützungsleistungen beantragen. Bei einer befristeten Beschäftigung nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ist zudem eine Verlängerung der Höchstbefristungsdauer möglich:
- Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind als Arbeitgeberinnen dazu verpflichtet, Arbeitsplätze und deren Ausstattung barrierefrei zu gestalten und die besonderen Bedarfe von Beschäftigten mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausreichend zu berücksichtigen. Finanzielle Unterstützung für diese Maßnahmen können Rehabilitationsträger (bei Promotionen in der Regel die zuständige Arbeitsagentur) durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) leisten. Darunter fällt beispielsweise die (anteilige) Übernahme von Kosten für technische Arbeitshilfen, eine Arbeitsassistenz (zum Beispiel Vorleser*innen für sehbeeinträchtigte Promovierende) oder auch die Kraftfahrzeughilfe, welche die Finanzierung eines Autos unterstützt. Die Leistungen können entweder direkt an den*die Arbeitgeber*in oder als persönliches Budget für die beschäftigten Promovierenden ausgezahlt werden. Mit einem persönlichen Budget können Promovierende beispielsweise selbst eine Assistenz einstellen, die bei der Promotionstätigkeit unterstützt. Einerseits ermöglicht ein persönliches Budget mehr Selbstbestimmung, andererseits kostet es auch Energie und Zeit das Budget zu verwalten und Assistenzen selbst auszuwählen. Die Schwerbehindertenvertretung kann dazu informieren und bei der Ermittlung und Beantragung unterstützen. Allerdings stehen einige LTA, insbesondere eine Assistenz, nur für Tätigkeiten innerhalb der vertraglich geregelten Arbeitszeit zur Verfügung, also nicht für Arbeiten an der Promotion außerhalb der Arbeitszeit.
Weitere Informationen zum persönlichen Budget finden Sie beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
- Unter Umständen kann ein Eingliederungszuschuss für behinderte und schwerbehinderte Beschäftigte durch den*die Arbeitgeber*in beantragt werden. Der Eingliederungszuschuss ist eine finanzielle Förderung des Gehalts der schwerbehinderten Person und gehört zu den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Er soll die berufliche Eingliederung von Personen unterstützen, für welche die Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis erschwert ist. So kann beispielsweise eine Einarbeitung gefördert werden, die über den üblichen Rahmen hinausgeht.
- Die Informationsplattform REHADAT stellt Informationen zum Eingliederungszuschuss online zur Verfügung: Lexikon – Eingliederungszuschuss
- Liegt eine Schwerbehinderung oder eine schwerwiegende chronische körperliche und/oder psychische Erkrankung vor, besteht die Möglichkeit die Höchstbefristungsdauer der Anstellung nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz um zwei Jahre von sechs auf acht Jahre zu verlängern (2 WissZeitVG).
Die Orientierung bezüglich Zuständigkeiten und Antragswegen kann verwirrend sein, deshalb gibt es hierzu einige Leitfäden:
- Eine gute Auflistung inklusive einer Übersicht über Maßnahmen und Antragswege bieten die Bundesagentur für Arbeit und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen in einem Ratgeber: Schwerbehinderte Menschen beschäftigen – Ein Ratgeber.
- Weitere Informationen zu (finanziellen) Fördermöglichkeiten für Akademiker*innen mit Schwerbehinderung gibt es vom „Arbeitgeberservice für schwerbehinderte Akademiker“ der ZAV: Service für Arbeitnehmer.
- Informationen zur Beantragung von Eingliederungshilfen bietet das Informationsportal REHADAT
Wie kann ich mit Krisen umgehen?
Die allermeisten Promovierenden erleben während der Doktorarbeit Krisen. Herausforderungen und Rückschläge sind Teil jeder guten Forschungsarbeit, das lernen Wissenschaftler*innen schon früh. Jedoch kann es auch Gründe für Krisen geben, die nicht direkt mit der Promotion zu tun haben, sondern mit verschiedenen Rahmenbedingungen, mit Barrieren im Hochschulalltag, mit Konflikten im Betreuungsverhältnis oder mit Care-Verpflichtungen.
Motivationstief und Frustration
Motivationstiefs und Frustration können entstehen, wenn neue Probleme in der Forschung auftauchen oder wenn sich ein Gefühl von Sinnlosigkeit der Forschungsarbeit einstellt. Diese Probleme haben fast alle Promovierenden im Laufe ihrer Promotion, deshalb gibt es bereits viele Hilfen dazu. Hier zwei Beispiele:
The Wellbeing Thesis: Maintainig Motivation
Universität Bremen: Taking care of yourself! Gesundes Arbeitsleben bei der Promotion
Es kann aber auch Ursachen für Frustration geben, die außerhalb des eigentlichen Promotionsvorhabens liegen. Besonders die langwierige Beantragung von Leistungen zur Teilhabe, wie eine Assistenz, Dolmetschung oder technische Anpassungen, kann frustrierend und zeitraubend sein. Deshalb ist es sinnvoll, sich so früh wie möglich an die Schwerbehindertenvertretung und andere Beratungsstellen zu wenden und mit der Antragstellung zu beginnen.
Es kann auch hilfreich sein, sich mit anderen Promovierenden auszutauschen die ähnliche Erfahrungen machen, beispielsweise beim regelmäßigen virtuellen Stammtisch des PROMI-Projekts: Virtueller Stammtisch „Promovieren mit Behinderungen/chronischen körperlichen oder psychischen Erkrankungen“.
Psychische Probleme
Viele Promovierende erleben während der Promotion Stress und psychische Belastungen. Einige haben sogar schwerwiegende psychische Probleme. Das wird jedoch erst seit kurzer Zeit öffentlich diskutiert und erforscht. Anlass können, müssen aber nicht, die persönliche Lebenssituation, Unsicherheit und Frustration bei der Forschung, aber auch der Kampf um barrierefreie Bedingungen oder das Erleben von Mobbing und Diskriminierung sein. Ansprechpersonen für psychische Krisen die Sie jederzeit kontaktieren können gibt es in ganz Deutschland:
- In vielen Städten gibt es studentische Nightlines, bei denen man Nachts anrufen kann: Übersicht über Nightlines in ganz Deutschland
- Bei der Telefonseelsorge kann man jederzeit anrufen: TelefonSeelsorge
- Die Studentenwerke bieten eine Psychologische und Sozialberatung an
Darüber hinaus gibt es viele langfristigere Angebote und Hilfestellungen zur Prävention von Stress und psychischen Krisen von Universitäten und von Promovierenden selbst:
- Promovierende der Universität York: Surviving your PhD – Advice from PhD students for PhD students
- Netzwerk Mental Health in Berlin: Scholar Minds
- Viele Graduierteneinrichtungen haben außerdem Veranstaltungen zum Thema Stressmanagement
Konflikte mit der Betreuung
Besonders vor dem Hintergrund des Leistungsdrucks in der Wissenschaft gibt es Professor*innen, die von ihren Mitarbeiter*innen große Flexibilität und Ansprechbarkeit erwarten. Daher können Konflikte entstehen, beispielsweise über Arbeitszeiten und Verfügbarkeit. Manchmal hilft es bereits, ein offenes Gespräch anzuregen und die eigenen Karten auf den Tisch zu legen. Was brauchen Sie, um gut arbeiten zu können? Was kann verbessert werden? Welche Tagesstruktur passt für Sie am besten? Wahrscheinlich können Betreuende und Vorgesetzte nicht alles möglich machen, aber sie müssen erst einmal über Bedarfe informiert sein, um überhaupt darauf eingehen zu können.
In einigen Fällen kann der Konflikt so eingefahren sein, dass ein Gespräch zu zweit nicht mehr weiterführt. Dann können Promovierende sich Beratung beispielsweise bei Graduierteneinrichtungen holen und vielleicht ein moderiertes (Schlichtungs-)Gespräch mit den Betreuenden führen. Einige Graduierteneinrichtungen haben auch Vertrauens- und Ombudspersonen oder Mitarbeiter*innenberatungen, an die sich Promovierende wenden können.
Anlaufstellen und Ansprechpersonen
Rund um das Thema „Promovieren mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen“ gibt es vielfältige Anliegen und Beratungsbedarfe. Immer wieder wird deutlich, dass fehlendes Wissen auf allen Seiten, bei Promovierenden, Betreuenden, aber auch in der Verwaltung dazu führt, dass mögliche Unterstützungs- und Ausgleichsleistungen nicht in Anspruch genommen werden. Deshalb haben wir hier einige Anlaufstellen und Ansprechpersonen zusammengetragen, an die Sie sich wenden können.
Anlaufstellen für alle Promovierenden
- Beauftragte für Studierende mit Behinderungen und chronischen körperlichen/psychischen Erkrankungen an der eigenen Hochschule
- Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)
- Arbeitgeber-Service für Schwerbehinderte Akademiker der ZAV
- Peer-Beratung des PROMI-Projekts
- Integrationsfachdienst – Fachberatungsstelle für Menschen mit Behinderungen rund um Teilhabe am Arbeitsleben
- Beratungsangebote der Graduierteneinrichtungen an den jeweiligen Hochschulen
- Servicezentren für Inklusion und Chancengerechtigkeit an den jeweiligen Hochschulen
- Betriebliches oder studentisches Gesundheitsmanagement der jeweiligen Hochschulen
Zusätzliche Anlaufstellen für Promovierende mit sozialversicherungspflichtiger Anstellung
- Schwerbehindertenvertretung der jeweiligen Hochschule
- Personalräte der jeweiligen Hochschule
Anlaufstellen für Betreuer*innen
- Beratung durch das PROMI-Projekt
- Schwerbehindertenvertretung der jeweiligen Hochschule
- Beauftragte für Studierende mit Behinderungen und chronischen körperlichen/psychischen Erkrankungen an der eigenen Hochschule
- Arbeitgeberservice für schwerbehinderte Akademiker (ZAV)
- Integrationsfachdienst – Fachberatungsstelle für Menschen mit Behinderungen rund um Teilhabe am Arbeitsleben
- Graduierteneinrichtungen
Weitere Anlaufstellen und Netzwerke finden Sie unter PROMI-Links.